ich liebe diese seltene stunde

wenn der letzte bus
das letzte auto
und der letzte passant

vorbei gegangen sind

wenn das hastige klick-klack der absätze
einer nachhauseeilenden
das heisere zischen der druckluftbremse
an der haltestelle gegenüber
nur noch flüchtige erinnerungen sind

wenn die stadt tief luft holt
für den ersten bus
das erste auto
und den ersten passanten des neuen tages

wenn der nighttrain auf seiner ewigen wanderung durch den äther rauscht

ich liebe diese seltene stunde

in der du vergisst, dich zu fürchten
und du daran erinnert wird, dass sich die blaue kugel auf der wir sitzen
mit zig-tausend kilometern in der sekunde durchs weltall katapultiert

sich purzelbäumend ihren weg bahnt
sorglos milchstraßen überquerend
ohne nach rechts und links zu schauen

ohne rücksicht auf astronomische annahmen
und kosmische kalkulationen
jedes galaktische gesetz brechend

sternenbilder nach ihrer vorstellung um malt
im riskanten vorbeiflug rote riesen provoziert
schnell noch ein paar schwarze zwerge aufscheuchend

um auf jeder umlaufbahn surfend
jedes schwarze loch streifend

immer hart auf der kante
den schwung des drohenden untergangs mitzunehmen

voller übermut und lebenslust
auf der suche nach einem kometen oder asteroiden oder irgendeinem anderen extraterrestrischen unrat an dem sie sich messen kann

bis sich ihr eine dieser höhnisch grinsenden sonnen in den weg stellt
die zu tausenden diamant-glitzernd im weltall lauern
um wie magnete aus höllenfeuer alles um sie herum anzulocken

sterne sind brennende steine, oder?

ja, mein kind. und beten hilft da nichts.
denn vorne steht das schild, das unterhaltungen mit dem fahrer während der fahrt untersagt.

lehn‘ dich zurück, wenn die tür sich schließt und genieße die reise im nighttrain
sie lügen, wenn sie sagen, dass sich immer eine neue öffnet, wenn eine tür sich schließt

das leben ist kein adventskalender
und mal ehrlich – wer will schon aussteigen, wenn das beste erst noch kommt?

in einer immer schneller werdenden todesspirale
einem globalen salto mortale rast die kugel ihrem unabänderlichen schicksal entgegen
einer uns unbekannten bestimmung folgend

und hier irgendwo, hier stehen wir
auf einer brüchigen schicht schorf
nur vorübergehend verhärtet

und klammern uns fest
an dingen, die wir zu wissen glauben
ich liebe diesen augenblick

zwischen schlaf und wach-sein
zwischen leben und tod

wenn die angst vor dem alltag weicht
bis der erste bus zischend an der haltestelle gegenüber ankommt

um die ersten opfer des neuen tages einzusammeln